Der atemberaubende Blick von oben auf die Hansestadt spiegelt sich in allen Bildern wider: Nah am Wasser gebaut ist Hamburg definitiv, das Gruen von Planten un Blomen verschwimmt mit weißen Stadtvillen, roten Backsteinhaeusern, den Kirchtuermen, der Alster und der Elbe, kantige Kraene recken ihre Haelse über dem Hafen. Neun Maler und Malerinnen haben auf Einladung der Galerie im Elysée den Blick von oben eingenommen.
Sie haben ihre Perspektiven auf Hamburg gemalt. Dafür sind sie auf die höchsten Punkte der Stadt geklettert: auf den für die Öffentlichkeit momentan nicht zugänglichen Fernsehturm, den Turm der Petrikirche sowie auf die Dächer des Hotels Atlantic und des Grand Elysée Hamburg. Entstanden sind rund 40 Werke, die gleichzeitig eine große Bandbreite an zeitgenössischer realistischer und impressionistischer Malerei zeigen: Individuelle Blickwinkel bei Sonnenauf- und -untergang, bei einsetzender Dämmerung, im Abendlicht, bei Sonnenschein, Regen und Nebel.
Die Künstlerinnen und Künstler Margreet Boonstra, Annette von Borstel, André Krigar, Meike Lipp, Lars Möller, Marlen Schulz, Frank Suplie, Till Warwas und Corinna Weiner gewähren den Betrachtenden mit ihren Bildern besondere Blicke, durch die man Hamburg bis zum Horizont erfassen kann. Vielleicht schließen sie damit bei einigen sogar persönliche Lücken im Stadtplan.
Die Galerie im Elysée präsentiert mit „Höhenflüge“ ihre 165. Ausstellung, gleichzeitig rückt das 40-jährige Bestehen immer näher. „Der Titel der jetzigen Ausstellung bringt es auf den Punkt: Es sollten ‚Höhenflüge‘ werden. Genau das haben wir mit unseren Ausstellungen im Laufe der Jahre gemacht“, betont Galeristin Christa Block. „Bei Wind und Wetter sind die Künstlerinnen und Künstler in die Höhe geklettert, um auf unsere Stadt zu schauen und ‚die Schöne‘ zu malen.“ Das war teilweise gar nicht so einfach: Der Fernsehturm ist seit 22 Jahren geschlossen, eine Ausnahme-genehmigung musste her und ein Fahrstuhlführer bestellt werden. Auch der Aufstieg auf St. Petri erwies sich als nicht so mühelos – mit Leinwand, Staffelei und Farbe mussten die Maler und Malerinnen hunderte von engen Stufen im Turm erklimmen. Der Blick über die Moorweide vom Dach des Grand Elysée aus war ein Heimspiel, und auch das Hotel Atlantic bot vom öffentlich nicht zugänglichen Dach neben der Weltkugel einen wunderschönen Blick auf die Alster.
Die Malerinnen und Maler vermitteln individuelle Inhalte und nutzen verschiedene Maltechniken. „Doch bei aller Unterschiedlichkeit begegnen den Betrachtenden dabei drei Themen immer wieder: das Erhabene des Blicks von oben, die Schönheit Hamburgs und die Verletzlichkeit der Urbanität“, sagt Kunsthistorikerin Friederike Weimar, die die einführenden Worte bei der Ausstellungseröffnung sprach.
Die Künstlerinnen und Künstler
Margreet Boonstra
Die Malerin wurde 1967 in Drachten geboren, sie lebt und arbeitet in den Niederlanden. Sie studierte Malerei an der Minerva-Kunstakademie in Groningen und ist seit den späten 90er Jahren freischaffende Künstlerin. Die Niederländerin gehört dem holländischen Kreis der Noordelijke Realisten und seit 2015 dem der Norddeutschen Realisten an. Besonders begeistert war die Malerin vom Blick im Turm der Sankt-Petri-Kirche, für ein Bild von der Abendstimmung mit Gegenlicht nahm sie tagelangen Muskelkater in Kauf. Eigentlich schon auf dem Rückweg, fesselte sie dieser Anblick so, dass sie alle Stufen wieder hinauflief. Margreet Boonstra versteht es, mit ihren lebendigen Bildern die Zeit anzuhalten und die Atmosphäre des Augenblicks zu bewahren.
Annette von Borstel
1966 in Hamburg geboren, lebt und arbeitet sie in ihrer Geburtsstadt und im französischen Antibes. Sie studierte Kunst an der Hochschule in Kassel bei Prof. Haug und Prof. Bluth. Studienreisen nach Tschechien brachten ihr die plein-air Landschaftsmalerei nahe. Die Annäherung an ein Motiv erfolgt bei ihr über viele Wochen. Dabei skizziert sie und hält das Geschehene in großen Übersichts-zeichnungen und kleinen Detailstudien fest. Sie visiert ihr Motiv an, bis es ihr seine Eigenschaften und seinen Charakter offenbart. Später im Atelier setzt sie ihre Notizen in Hieroglyphen um, die die Zeichnung im Bild unterstützen. Die Farben erschafft sie weniger aus der Erinnerung als durch Kreativität.
André Krigar
Der 1952 in Berlin geborene Maler fängt das urbane Leben in ausdrucksstarken Momentaufnahmen ein. Er bringt Alltägliches expressiv unmittelbar mit lockerem Pinselstrich auf die Leinwand. Sein Hauptmotiv ist die Stadtmalerei. Seit vielen Jahren durchstreift er für seine Bilder Großstädte wie Berlin, Hamburg oder Toronto. Er nennt die Malerei vor Ort als die wichtigste Quelle seiner Arbeit. Es geht ihm nicht um eine realitätsnahe Wiedergabe des Motivs, sondern eben um diese vielfältigen Einflüsse, um Stimmungen und die Verdichtung sich flüchtig offenbarender Momente.
Meike Lipp
Mit lebendigen, farbintensiven Kompositionen nimmt die Hamburgerin Meike Lipp (geb.1955) ihr Publikum mit auf die Reise durch Hamburg. Die Künstlerin versteht es, durch intensive Farben und die ihr eigene, rhythmisch-spielerische Malweise Situationen und Orte zum Leben zu erwecken. Die Künstlerin fühlte sich oben auf dem Fernsehturm dem alltäglichen Leben weit entrückt und empfand den Rundumblick so überwältigend, dass sie versuchte, sich auf einzelne Ausschnitte und Farben zu konzentrieren und Details auszublenden.
Lars Möller
In seinen Arbeiten bevorzugt der 1968 geborene Künstler das Spiel mit Grau in zurückgenommenen und harmonischen Tönen und Nuancen, die stimmungsvolle Ruhe vermitteln. Seine Heimatstadt zählt zu den Lieblingsmotiven des in Hamburg lebenden und arbeitenden Künstlers. Lars Möller setzt in seinen Bildern die impressionistische Tradition der Pleinair-Malerei feinfühlig und zeitgenössisch um. Wie kaum ein anderer vermag er es, das Wesen des Nordens in seinen Arbeiten zu erfassen. Seit 1998 ist Lars Möller Mitglied der Norddeutschen Realisten. Der Maler erinnert sich gern an seinen bisher letzten Besuch vor über 40 Jahren mit seiner Großmutter auf dem Fernsehturm, und auch wenn sich das Ambiente verändert habe, der phantastische Blick von oben sei geblieben.
Marlen Schulz
Die Finalistin des Elysée-Preises für Malerei 2022 lebt und arbeitet in Hamburg. Sie beschäftigt sich mit kleinen, flüchtigen Momenten, die im Alltag schnell untergehen und die sie in ihren Bildern festhalten möchte. Malerisch interessieren sie Kontraste. Hell zu dunkel, laut zu leise, Linien zu Fläche, dicht zu offen oder grell zu matt. Die Schönheit der Hansestadt wurde ihr oben vom Fernsehturm richtig bewusst und gleichzeitig ihre größte Herausforderung – bei der riesigen Auswahl mit all den malerischen Flecken musste sie aufpassen, sich nicht in Details zu verlieren.
Frank Suplie
Der 1950 geborene Künstler lebt und arbeitet in Berlin, der Uckermark und auf Gran Canaria. Er ist seit 2006 Mitglied der Norddeutschen Realisten. Frank Suplie bedient sich der Eitempera-Technik und ihrer farbintensiven Wirkung. Die helle Farbskala, die er virtuos umsetzt, lässt seine Bilder leuchten und die Realität punktuell heller erscheinen als sie ist. Es ist eine positive Grundstimmung, die seinen Arbeiten eine besondere Strahlkraft verleiht. Frank Suplie ist sich sicher, dass ihn viele Hamburger für die Aktion auf dem Fernsehturm beneidet haben – bei der er durch lange nicht geputzte Scheiben ins morgendliche Gegenlicht blinzelte, um ein Bild von Hamburg von oben zu malen.
Till Warwas
Seine Malerei bewegt sich zwischen Landschaft, plein-air gemalt in den warmen Monaten des Jahres, und Stillleben, die im Winter in seinem Atelier in Bremen entstehen. So unterschiedlich seine Sujets bei der ersten Betrachtung erscheinen, empfindet man doch eine starke Verwandtschaft von Natur und Gegenstand in seinen Gemälden, in denen er nach der Wahrheit in der Darstellung des Gesehenen strebt. Seine Malerei scheint zeitlos, unangestrengt, weich und fließend. Der 1962 geborene Künstler war bei der Ankunft erstaunt über den Staub der Jahre im Inneren des Fernsehturms. Der Blick hinaus durch die ungeputzten Fenster bekam für ihn etwas Unscharfes, Dunstiges, das ihm das Malen aber leichterfallen ließ.
Corinna Weiner
1977 in Berlin geboren, lebt und arbeitet die Künstlerin in ihrer Geburtsstadt. Sie hat dort an der Hochschule der Künste (heute Universität der Künste) bei den Professoren Marwan Kassab-Bachi und Georg Baselitz studiert. In ihren Bildern setzt die Künstlerin mit Licht und Farben Akzente, die den Blick des Betrachters zum Beispiel auf ein Detail oder eine Figur lenken, während die Umgebung, in der diese steht, in gedeckteren Farben und nur angedeutet geheimnisvoll und mystisch erscheint. Die Malerin empfindet immer Freude, wenn sie Städte von oben betrachtet. Ihr gefällt das Modellhafte, Strukturierte, das man aus der Höhe erkennt, aber auch das organisch über Jahrhunderte Gewachsene.
Kunstgenuss auf Augenhöhe: Die Sammlung Block im Grand Elysée Hotel Hamburg
Mit über 1.200 Gemälden, Aquarellen, Grafiken, Skulpturen und Fotografien ist die Sammlung Block im Grand Elysée Hotel Hamburg eine der bedeutenden Privatsammlungen gegenständlicher Kunst in Norddeutschland. In themenorientierten Dauerausstellungen werden über 850 Exponate in den Foyers und Restaurants, Veranstaltungsräumen sowie in den Hotelfluren und Suiten präsentiert.
Bildunterschriften:
Bild 1: v.l.: Gruppenbild v.l.: Frank Suplie, Annette von Borstel, Marlen Schulz, Meike Lipp, Galeristin Christa Block, Margreet Boonstra, André Krigar, Corinna Weiner, Kunsthistorikerin Friederike Weimar
Bild 2: Marlen Schulz »Im Fernsehturm malend – Margreet Boonstra« 50 x 60 cm, Acryl und Polychromos auf Leinwand, 2023
Bild 3: Frank Suplie »Fernsehturm, Blick über Planten un Bloomen, Außenalster« 60 x 50 cm, Eitempera auf Leinwand, 2022
Bild 4: Meike Lipp »Blick vom Fernsehturm 2«,40 x 60 cm, Öl auf Leinwand, 2022
Bild 5: Corinna Weiner »Abendlicht«,30 x 40 cm, Öl auf Leinwand, 2022
Fotonachweis: Galerie im Elysée / Barbara Kloth
Hamburg, 18. April 2023
Pressekontakt:
Meike Woermann, Kuratorin Sammlung Block
Tel. (040) 41412-825, E-Mail: Meike.Woermann(at)grand-elysee.com